Warum wir uns so
schwer tun, uns mit dem Profi-Golf zu identifizieren
Fußball Bundesliga 2015: Frankfurt - Leverkusen |
Stellen Sie sich vor, Sie sehen sich ein Fußballspiel in der
Kreisliga an. Auf den ersten Blick läuft alles so ab, wie wir es aus dem
Fernsehen kennen: ein Ball, zwei Mannschaften, ein Schiedsrichter.
Aber was ist das? Nach näherem Hinsehen wird klar, hier
spielen nicht 11 gegen 11, sondern 9 gegen 9. "Das haben sie gemacht, weil
die Teams immer weniger Spieler zusammen bekommen", erklärt ein netter
Mitzuschauer. Da spielt ein Spieler den Ball ins Aus und auf der Anzeigentafel
erscheint: 1:0. Verwirrt verfolgen Sie das weitere Geschehen und es kommt zu
einem Eckball für die Gastmannschaft. 1:2 steht plötzlich auf der Anzeige. Und
da: endlich ein Tor! Die wenigen Zuschauer jubeln und es steht auf einmal 7:2.
Nach 15 Minuten pfeift der Schiedsrichter zur Pause.
"Das ist erst die Pause nach dem ersten Viertel", sagt Ihr netter
Zuschauer-Nachbar, "haben die eingeführt, weil die Amateure ja nicht so
fit sind wie die Bundesliga-Kicker". Spielstand laut Anzeigentafel 11:10.
Auf Nachfrage erklärt man Ihnen, dass jeder Ball ins Seiten-Aus einen Punkt
bedeutet, Bälle ins Tor-Aus: zwei Punkte, Abseits: drei Punkte und ein Tor: 6
Punkte. "Komisch", denken Sie sich und schon wollen Sie diesem
seltsamen Treiben den Rücken kehren. Doch der nette Zuschauer neben Ihnen hält
Sie zurück und erklärt Ihnen, man mag es kaum glauben, ein Fußballspiel.
Also bleiben Sie bis zum Schluss, und der Kick endet 48:42.
"Vorläufig", bemerkt Ihr neuer Zuschauerfreund augenzwinkernd. Ohne
die Anzeigentafel hätten Sie das nie mitbekommen. Nach Toren stand es nämlich
glatt 3:0. Nach dem 4. Viertel holt der Schiedsrichter die Mannschaften am
Mittelkreis zusammen und verkündet lauthals: "Sieger nach Matchpunkten ist
die Heimmannschaft mit 48:42, die Gastmannschaft erhält jedoch 6 Bonuspunkte,
da sie vor dem Spiel in der Tabelle 6 Plätze hinter der Heimmannschaft lag.
Dazu kommen sechs Fairnesspunkte, da die Gastmannschaft insgesamt weniger Fouls
gemacht hat, minus drei für die gelbe Karte. Endergebnis: 48:51!" Die fünf
mitgereisten Fans der Gäste jubeln und die Heimmannschaft diskutiert über
vergebene Punkte, insbesondere durch unnötige Eckbälle.
BMW International Open, Köln 2014 |
"So ein Quatsch", denken Sie, "das hat ja
nichts mehr mit Fußball zu tun." Richtig, undenkbar, und das wird
sicherlich auch so im Fußball nicht kommen. Denn die Verantwortlichen wissen
eines ganz genau: der Profisport darf sich nicht zu weit vom Amateursport
entfernen, jedenfalls nicht, was die Regeln angeht. Ein Amateurfußballer kann
sich auch deshalb so gut mit seinem Sport identifizieren, weil die Profis in
der Bundesliga genau das gleiche machen wie die Amateurkicker: 11 gegen 11,
zweimal 45 Minuten, Tor 7,32 m breit und 2,44 m hoch.
Und was machen wir im Golf? Haben wir hier nicht genau das
oben beschriebene (zugegeben etwas übertriebene) Szenario?
Während die Profis jedes Wochenende im Fernsehen denjenigen
als Sieger ermitteln, der die wenigsten Schläge macht, jagen die Amateure nach
Stableford-Punkten. Ein gutes Profi-Ergebnis auf der Tour für eine Runde: 68
(Schläge). Ein gutes Amateurergebnis: 40 (Punkte). Für Außenstehende kaum
nachzuvollziehen.
Professionals messen sich am Par der Bahnen, wir Amateure
schlagen uns außerdem noch mit Course-Rating-, Slope-Werten, Stamm- und
Spielvorgaben, Anpassungskoeffizienten und Pufferzonen herum. Es ist
kompliziert, Nichtgolfern den Begriff "Handicap" und wie man dazu
kommt zu erläutern, jedenfalls dann, wenn man ins Detail gehen möchte. Dabei
wäre es doch so einfach, wenn man schlicht sagen könnte: "mit Handicap 20,
darfst Du 20 Schläge mehr machen als die Profis", aber das ist in der
Praxis leider nur grundsätzlich so. Prompt kommt dann nämlich höchstwahrscheinlich
die Frage: "aber du hast doch Handicap 20,2 und sprichst immer nur von
Punkten, nicht von Schlägen".
Martin Kaymer in Köln 2014 |
Für die Tourspieler werden immer längere Golfplätze gebaut, mit
Abschlägen, die so weit hinten liegen, dass normale Amateure von dort aus nicht
mal das Fairway erreichen können. Wäre es nicht einfacher, stattdessen die
Flugweite von Golfbällen auf der Tour zu reglementieren? So manche
traditionsreiche, kürzere Golfanlage könnte so wieder für Spitzenevents
interessant werden. Ohne große Umbauten.
In Fachkreisen wird längst diskutiert, ob es nicht sinnvoller
wäre, wenn die Amateure (mit weniger reglementierten Bällen) von den gleichen
Abschlägen spielen könnten wie die Tour-Pro's. Den Durchschnittsgolfer würde
das sicherlich mehr motivieren, als an jeder Bahn 100 Meter, am Champion-Tee
vorbei, nach vorn gehen zu müssen.
Wir müssen aufpassen, dass sich das Amateurgolf nicht immer
weiter vom Profigolf entfernt. Sonst fällt die Identifikation mit den TV-Helden
und der Motivationstransfer einfach schwer. Vielleicht auch ein Grund dafür,
dass sich immer weniger Menschen für unseren schönen Sport begeistern können?
Lasst uns doch alle wieder das gleiche Spiel spielen!
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