Der Golf-Berater

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Montag, 27. Februar 2017

Von Fußballern und Golfern

Warum wir uns so schwer tun, uns mit dem Profi-Golf zu identifizieren

Fußball Bundesliga 2015: Frankfurt - Leverkusen
Stellen Sie sich vor, Sie sehen sich ein Fußballspiel in der Kreisliga an. Auf den ersten Blick läuft alles so ab, wie wir es aus dem Fernsehen kennen: ein Ball, zwei Mannschaften, ein Schiedsrichter.

Aber was ist das? Nach näherem Hinsehen wird klar, hier spielen nicht 11 gegen 11, sondern 9 gegen 9. "Das haben sie gemacht, weil die Teams immer weniger Spieler zusammen bekommen", erklärt ein netter Mitzuschauer. Da spielt ein Spieler den Ball ins Aus und auf der Anzeigentafel erscheint: 1:0. Verwirrt verfolgen Sie das weitere Geschehen und es kommt zu einem Eckball für die Gastmannschaft. 1:2 steht plötzlich auf der Anzeige. Und da: endlich ein Tor! Die wenigen Zuschauer jubeln und es steht auf einmal 7:2.


Nach 15 Minuten pfeift der Schiedsrichter zur Pause. "Das ist erst die Pause nach dem ersten Viertel", sagt Ihr netter Zuschauer-Nachbar, "haben die eingeführt, weil die Amateure ja nicht so fit sind wie die Bundesliga-Kicker". Spielstand laut Anzeigentafel 11:10. Auf Nachfrage erklärt man Ihnen, dass jeder Ball ins Seiten-Aus einen Punkt bedeutet, Bälle ins Tor-Aus: zwei Punkte, Abseits: drei Punkte und ein Tor: 6 Punkte. "Komisch", denken Sie sich und schon wollen Sie diesem seltsamen Treiben den Rücken kehren. Doch der nette Zuschauer neben Ihnen hält Sie zurück und erklärt Ihnen, man mag es kaum glauben, ein Fußballspiel.

Also bleiben Sie bis zum Schluss, und der Kick endet 48:42. "Vorläufig", bemerkt Ihr neuer Zuschauerfreund augenzwinkernd. Ohne die Anzeigentafel hätten Sie das nie mitbekommen. Nach Toren stand es nämlich glatt 3:0. Nach dem 4. Viertel holt der Schiedsrichter die Mannschaften am Mittelkreis zusammen und verkündet lauthals: "Sieger nach Matchpunkten ist die Heimmannschaft mit 48:42, die Gastmannschaft erhält jedoch 6 Bonuspunkte, da sie vor dem Spiel in der Tabelle 6 Plätze hinter der Heimmannschaft lag. Dazu kommen sechs Fairnesspunkte, da die Gastmannschaft insgesamt weniger Fouls gemacht hat, minus drei für die gelbe Karte. Endergebnis: 48:51!" Die fünf mitgereisten Fans der Gäste jubeln und die Heimmannschaft diskutiert über vergebene Punkte, insbesondere durch unnötige Eckbälle.

BMW International Open, Köln 2014
"So ein Quatsch", denken Sie, "das hat ja nichts mehr mit Fußball zu tun." Richtig, undenkbar, und das wird sicherlich auch so im Fußball nicht kommen. Denn die Verantwortlichen wissen eines ganz genau: der Profisport darf sich nicht zu weit vom Amateursport entfernen, jedenfalls nicht, was die Regeln angeht. Ein Amateurfußballer kann sich auch deshalb so gut mit seinem Sport identifizieren, weil die Profis in der Bundesliga genau das gleiche machen wie die Amateurkicker: 11 gegen 11, zweimal 45 Minuten, Tor 7,32 m breit und 2,44 m hoch.

Und was machen wir im Golf? Haben wir hier nicht genau das oben beschriebene (zugegeben etwas übertriebene) Szenario?

Während die Profis jedes Wochenende im Fernsehen denjenigen als Sieger ermitteln, der die wenigsten Schläge macht, jagen die Amateure nach Stableford-Punkten. Ein gutes Profi-Ergebnis auf der Tour für eine Runde: 68 (Schläge). Ein gutes Amateurergebnis: 40 (Punkte). Für Außenstehende kaum nachzuvollziehen.

Professionals messen sich am Par der Bahnen, wir Amateure schlagen uns außerdem noch mit Course-Rating-, Slope-Werten, Stamm- und Spielvorgaben, Anpassungskoeffizienten und Pufferzonen herum. Es ist kompliziert, Nichtgolfern den Begriff "Handicap" und wie man dazu kommt zu erläutern, jedenfalls dann, wenn man ins Detail gehen möchte. Dabei wäre es doch so einfach, wenn man schlicht sagen könnte: "mit Handicap 20, darfst Du 20 Schläge mehr machen als die Profis", aber das ist in der Praxis leider nur grundsätzlich so. Prompt kommt dann nämlich höchstwahrscheinlich die Frage: "aber du hast doch Handicap 20,2 und sprichst immer nur von Punkten, nicht von Schlägen".

Martin Kaymer in Köln 2014
Für die Tourspieler werden immer längere Golfplätze gebaut, mit Abschlägen, die so weit hinten liegen, dass normale Amateure von dort aus nicht mal das Fairway erreichen können. Wäre es nicht einfacher, stattdessen die Flugweite von Golfbällen auf der Tour zu reglementieren? So manche traditionsreiche, kürzere Golfanlage könnte so wieder für Spitzenevents interessant werden. Ohne große Umbauten.

In Fachkreisen wird längst diskutiert, ob es nicht sinnvoller wäre, wenn die Amateure (mit weniger reglementierten Bällen) von den gleichen Abschlägen spielen könnten wie die Tour-Pro's. Den Durchschnittsgolfer würde das sicherlich mehr motivieren, als an jeder Bahn 100 Meter, am Champion-Tee vorbei, nach vorn gehen zu müssen.

Wir müssen aufpassen, dass sich das Amateurgolf nicht immer weiter vom Profigolf entfernt. Sonst fällt die Identifikation mit den TV-Helden und der Motivationstransfer einfach schwer. Vielleicht auch ein Grund dafür, dass sich immer weniger Menschen für unseren schönen Sport begeistern können? Lasst uns doch alle wieder das gleiche Spiel spielen!



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